Fazit
Zum Abschluss zog Veronika Pahl, zum damaligen Zeitpunkt Leiterin der Abteilung Ausbildung, Ausbildungsreform im Bundesministerium für Bildung und Forschung, ein erstes Resümee der Konferenz und stellte fünf Leitmotive heraus, die nach den bisherigen Erfahrungen erfolgreiche Ausbildungsprojekte kennzeichneten:
- JOBSTARTER-Projekte bedürfen „absoluter Sachkunde“ der Regionen.
- JOBSTARTER-Projekte binden alle relevanten regionalen Akteure ein.
- JOBSTARTER-Projekte stellen Transparenz über ihre Ziele, Instrumente und Ergebnisse her.
- JOBSTARTER-Projekte sind Service-Agenturen und Dienstleister für Betriebe der Regionen.
- JOBSTARTER-Projekte sind nachhaltig.
Stimmen aus der Podiumsdiskussion
Andreas Storm, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung

Andreas Storm, Parlamentarischer Staatssekretär BMBF
JOBSTARTER
Wie können wir erreichen, dass Unternehmen, die bislang noch nicht ausgebildet haben, auch ausbilden? Hier bietet das Programm, das wir heute starten, der Jobstarter, eine Reihe von interessanten Ansatzpunkten.
Ein weiterer Punkt, der ganz stark in den Bildungsbereich hineingeht, ist die Frage: Wie kann man eine Verbesserung der Ausbildungszeiten der Jugendlichen erreichen? Das war ja schon Thema beim Ausbildungspakt. Hier stellt sich die Frage, ob man den Ausbildungspakt auch auf die Länder ausdehnen sollte, denn sie sind ja ganz stark bei diesem Thema involviert.
Eine dritte Thematik, die wir verstärkt und erweitert angehen müssen, ist die Frage: Wie schaffen wir es, dass die jungen Menschen, die keinen Ausbildungsabschluss haben, eine zweite Chance für einen Ausbildungsabschluss bekommen. In der Altersgruppe bis 29 Jahre sind das immerhin 1,3 Millionen junge Menschen.
Und ich nenne einen vierten Punkt, der da auch hineinspielt, wenn wir überlegen, wie es denn mittelfristig weitergeht. So stehen wir, wenn wir nicht verstärkte Anstrengungen unternehmen, im nächsten Jahrzehnt vor einem massiven Fachkräftemangel. Auch hier bietet das Jobstarterprogramm erste Antworten, über die wir reden müssen.
Und wenn Sie diese vier Punkte der qualitativen Weiterentwicklung nehmen, dann haben die natürlich sehr viel mit dem Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu tun.
Wie schaffen wir es, dass mehr Betriebe ausbilden? Was sind die Gründe, warum Betriebe nicht ausbilden? Wenn man sich mal die Struktur anschaut der Betriebe, die ausbilden, dann wird deutlich, dass bei den großen Betrieben und bei den mittleren Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten wir eine Ausbildungsquote von 50 % haben, bei Betrieben mit unter zehn Beschäftigten aber nur eine von 17 Prozent.
Da wird mir Herr Kentzler sicherlich zustimmen, dass der Hauptgrund bei den ganz kleinen Unternehmen nicht in erster Linie die Höhe der Ausbildungsvergütung ist, sondern vor allen Dingen bürokratische Hemmnisse. Das ist ein Punkt, wo wir mit dem Jobstarter-Programm einsteigen, dass wir sagen, diese ganz kleinen Betriebe bekommen Hilfestellung, beispielsweise auch im Verhältnis zur Schule, sie bekommen bei der Abwicklung all der Dinge, die mit der Ausbildung verbunden sind, eine Unterstützung, so dass wir an dieser Stelle ansetzen können.
Ein zweiter Punkt: Wir haben eine sehr problematische Situation bei jungen Migranten. Es gibt aber mittlerweile eine große Zahl von mittelständischen Migrantenunternehmen. Jetzt ist doch die Frage, wie schaffen wir es, dass gerade diese Migrantenunternehmen auch ausbilden, also z.B. ein deutsch-türkischer Mittelständler ist in der Lage, Ausbildungsplätze anzubieten. Genau an dieser Stelle setzen wir mit Jobstarter an, und ich meine, hier müssen wir auch weiter überlegen. Hier ist ein enormes Potential.
Ich will einen dritten Punkt nennen. Wir setzen an der Stelle ja eher bei den Problemgruppen an. Wenn wir aber an die längerfristige Herausforderung denken, dass wir mit den Ausbildungsplätzen von heute das Innovationspotential unseres Landes von morgen sozusagen festlegen, dann ist es auch entscheidend, dass wir bei neuen Betrieben, bei neuen Branchen sehr rasch Ausbildungsplätze schaffen. Deshalb ist die Frage, wenn es neue Betriebe gibt mit neuen Technologien, die noch überhaupt keine Ausbildungsvergangenheit haben, wie erreichen wir es, dass die schon im Jahre 2006 oder 2007 ausbilden und nicht erst im Jahr 2011.
Wenn wir an diese drei Themen herangehen, dann werden wir es nach meiner festen Überzeugung schaffen, in der Größenordnung von einigen zehntausend zusätzliche Ausbildungsplätze anbieten zu können.
Es gibt Prognosen, die aussagen, dass wir, wenn wir nicht schnell genug reagieren, im nächsten Jahrzehnt schon bis zu dreieinhalb Millionen fehlende Facharbeiter haben. Wir müssen vor allem auf zwei Elemente setzen. Das erste ist ein sehr, sehr starker regionaler Bezug, das hat die Diskussion hier oben ja schon gezeigt. Die Entwicklung in Brandenburg ist völlig anders als etwa die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen oder in Bayern. Wenn wir hier nur mit bundeseinheitlichen Ansätzen herangehen würden, kämen wir nicht weiter. Deswegen verspreche ich mir von dem Programm, das heute gestartet wird, mit dem ja in fünf Jahren insgesamt bis zu etwa 250 regionale Projekte ausgetestet werden können, dass auch vielleicht die eine oder andere Blaupause dabei ist, die wir an anderer Stelle einsetzen können.
Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg

Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
JOBSTARTER
In der Diskussion ist nun mehrfach von Warteschleifen gesprochen worden. Das Phänomen ist für die Länder in der Tat ein großes Problem. Im Bereich der vollschulischen Ausbildung hat es in den letzten 10 Jahren eine Steigerung um 40 Prozent gegeben.
Als Resultat fängt in Deutschland jetzt die berufliche Ausbildung im Durchschnitt mit 19 Jahren an. Diese Zahl macht stutzig, denn 19 Jahre, damit assoziieren wir ein Studium oder das Ende der Ausbildung.
Und für diese jungen Menschen in den sogenannten Warteschleifen sind die Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes im letzten Jahr ebenso wie die Diskussionen bei den Paktpartnern sehr wichtig.
Es hat geholfen, dass dort darüber nachgedacht wird: Wie kann diesen jungen Leuten eine Chance gegeben werden? Wie kann das, was sie gelernt haben, angerechnet werden? Wie steht es mit den Kammerprüfungen? Wie können sie überhaupt zugelassen werden zu Prüfungen? Das ist ein Hauptproblemfeld der Länder und wir wollen da gemeinsam mit dem Bund arbeiten, weil natürlich der Bereich der beruflichen Ausbildung nichts ist, was nur in der Länderkompetenz liegt.
Herr Kentzler und auch Herr Storm haben ausgeführt, dass es bei kleinen Betrieben unter 10 Mitarbeitern ganz schwierig ist, Ausbildung vorzuhalten. In Brandenburg haben 90 Prozent aller Firmen weniger als 10 Beschäftigte. An dieser Stelle möchte ich ein Lob aussprechen für den Aspekt ‚Regionaler Bezug’ im Programm. Denn der Versuch, Rezepte zu finden, die für alle gelten, ist zum Scheitern verurteilt. Bei uns in Brandenburg muss man unter Umständen ganz andere Ansätze nutzen als in einem anderen neuen Bundesland. Mit diesem echten regionalen Ansatz können wir Konzepte wie Verbundausbildung nutzen. Trotz unserer schwierigen Firmenstruktur bilden wir damit so viel aus wie im Bundesschnitt. Das ist eine Leistung der Firmen, die man honorieren sollte.
Hier ist mehrfach von Ausbildungsreife die Rede gewesen, immer mit dem ironischen Unterton, mit der Vorwurfshaltung, die man kennt, die sicher auch in vielen Punkten berechtigt ist. In den Diskussionen dazu taucht immer wieder eine Zahl auf: 20 % unserer jungen Leute, die die Schule verlassen, seien in keiner Weise ausbildungsfähig. Einen Beleg für diese Zahl, beispielsweise in Form einer Untersuchung, gibt es nicht. Vielmehr wird immer aus den PISA-Ergebnissen geschlussfolgert. Wenn man dies tut, muss man aber auch den Vergleich zu den anderen PISA-Staaten herstellen.
Da sind wir ungefähr im mittleren Bereich. Das ist nicht gut, aber es bedeutet andererseits auch, dass wir in Deutschland keine Sondersituation haben. Oft wird gesagt, „Es gibt so viele, denen noch eine gewisse Qualifikation fehlt.“ In unseren Warteschleifen befinden sich jedoch gerade junge Leute mit guten Abschlüssen, mit guten Ergebnissen. Es häufen sich dort keineswegs junge Leute, die zu diesen angeblichen 20 % gehören und beim Lesen oder in Mathematik Schwierigkeiten haben.
Man sollte an dieser Stelle einfach fair sein und feststellen: unser exzellentes duales System hat ein Problem. Um dieses Problem zu lösen, müssen alle Beteiligten miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Und es nützt nichts, den Schwarzen Peter den Schulen oder der Wirtschaft zuzuschieben. Wir müssen gemeinsam ein Stück weiter kommen, wenn wir mehr jungen Leuten eine qualifizierte Ausbildung ermöglichen wollen.
Ingrid Sehrbrock, DGB-Bundesvorstand

Ingrid Sehrbrock, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes
JOBSTARTER
Ich würde gerne die Frage nach der Zahl der Berufe aufgreifen und des Modernisierungsbedarfs. Es ist richtig, dass wir in den letzten Jahren sehr große Fortschritte gemacht haben. Wir modernisieren etwa 20 Berufe pro Jahr oder entwickeln sie neu. Das ist enorm. In der Regel wird heute ein solcher Beruf in 24 Monaten entwickelt oder modernisiert. Das ist schon ganz gut. Wir waren eine Zeit lang noch schneller.
Besser ist es, wenn Qualität vor Schnelligkeit geht. Aber die Frage ist doch: Wie stellen wir den Qualifikationsbedarf in der Arbeitswelt für die Zukunft fest, und was bedeutet das dann für Berufe?
Da sind wir ein Stück in der Entwicklung hinter anderen Ländern zurück. In vielen Ländern gibt es Prognosen über den Qualifikationsbedarf. Ich weiß, dass die immer auch schwierig sind, weil sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung, mit äußeren und inneren Einflüssen zu tun haben.
Deshalb sind langfristige Prognosen nicht möglich. Aber man geht im Ausland doch etwas systematischer daran, den Bedarf festzustellen, auch als Beratungshilfe für Jugendliche.
Lassen Sie mich zu der Frage der Ausbildungsbeteiligung und wie man es schafft, dass Betriebe sich engagieren, die bisher noch nicht eingestiegen sind, einige Gedanken beisteuern. Wir sind nach wie vor Verfechter der Ausbildungsplatzumlage, wir möchten diese bevorzugt auf Branchenebene und die Gewerkschaften werden das in den Tarifverhandlungen auch versuchen. Es ist ganz klar, dass wir dafür die Arbeitgeber brauchen, alleine setzen Gewerkschaften das nicht durch. Man könnte sich auch, wenn es um die finanziellen Belastungen der ausbildenden Betriebe geht, eine andere, eine kleine Umlage vorstellen, nämlich den Verzicht der Kammern auf die Prüfungsgebühren, so dass mit den Kammerbeiträgen aller Betriebe auch die Kosten für die Prüfungen übernommen werden.
Bei aller Sorge, die wir jetzt bezüglich der Zahl der Ausbildungsplätze haben, möchte ich das Augenmerk auf die Frage der Qualität der beruflichen Bildung lenken. Wir haben in den letzten Jahren in verschiedensten Berufen die qualitativen Anforderungen ein Stück hochgeschraubt, das gilt für die allgemeinbildenden Schulen durch die Standards, das gilt für die Universitäten – die Bachelor- und Master-Studiengänge werden zertifiziert, mit dem Ziel der Qualitätssicherung –. Wir müssen auch bei der beruflichen Bildung die Qualität in den Blick nehmen.
Der DGB hat ein online-Beratungsprojekt unter dem Namen „Dr. Azubi“, an das sich viele junge Leute wenden, die Probleme in der Ausbildung haben. Manche finden, dass sie nicht gut genug ausgebildet werden, dass kein Ausbilder da ist, oder dieser nicht gut qualifiziert ist. Wir müssen uns deshalb auch über Qualitätssicherungssysteme in der Berufsbildung unterhalten. Dazu gehört für uns auf jeden Fall, die Ausbildereignungsverordnung wieder in Kraft zu setzen. Sie auszusetzen für 5 Jahre war das völlig falsche Signal. Aber man muss auch über Qualitätssicherungssysteme nachdenken.
Heute spricht man ja von Input- und Outputorientierung und von Prozessorientierung in allen Bereichen des Bildungssystems. Da sollte man die Berufsbildung sowohl in den Betrieben als auch in den Schulen nicht außen vor lassen. Ich denke, von Zeit zu Zeit müssen Betriebe sich einem Check stellen. Das ist jedenfalls ein Resümee, das wir aus unserem Beratungsprojekt „Dr. Azubi“ aufgrund der Rückmeldungen junger Menschen ziehen.
Ulla Burchardt, Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag

Ulla Burchardt, Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag
JOBSTARTER
Wir haben seit Jahren eine Unterversorgung mit Ausbildungsplätzen. Das führt dazu, dass mittlerweile ein Drittel der westdeutschen Bevölkerung keinen Berufsabschluss hat.
Wie sieht das denn für die Zukunft aus, ist das Berufsbildungssystem fit für die Zukunft? Die Frage wird sich natürlich auch daran entscheiden, ob es angesichts des zunehmenden Fachkräftebedarfs genügend Ausbildungsplätze geben wird.
Werden wir alle die mitnehmen können, die seit Jahren ‚geparkt’ werden in Warteschleifen und die bis jetzt keine Chance bekommen haben?
Zum Stichtag waren 40.000 Jugendliche als suchend gemeldet, nach jetzigem Stand sind 17.500 nicht vermittelt. Das Spannende ist also die Frage: Was ist mit denen dazwischen passiert, die nun nicht mehr in der Statistik auftauchen? Jahr für Jahr sind immer mehr junge Menschen aus dem Blick geraten, weil die Statistik sie nicht mehr aufgeführt hat. Also: 4.700 davon haben eine Berufsausbildung angefangen und die meisten anderen absolvieren Einstiegsqualifikationen oder berufsvorbereitende Maßnahmen.
Diese will ich nicht herunterreden, aber das ist keine Berufsausbildung. Und dennoch sind diese Jugendlichen aus der Statistik verschwunden. Deswegen müssen wir - und da kann ich Frau Schavan nur sehr unterstützen – ein besonderes Schwergewicht darauf legen, dass niemand in Sackgassen gerät und niemand ohne Perspektive bleibt. Wir müssen uns insbesondere um die kümmern, die noch draußen sind – wir müssen sie hereinholen.
Zu dem Punkt Ausbildungsreife. Ich weiß, dass es Jugendliche gibt, die Schwierigkeiten haben, acht Stunden durchzuhalten oder morgens überhaupt nur pünktlich aufzustehen. Aber so zu tun, als sei eine ganze Generation im Grunde genommen dumm und nicht reif, eine vernünftige Berufsausbildung zu machen, ist völlig überzeichnet und wird den jungen Menschen nicht gerecht.
Ich möchte aber noch einen Satz zu dem sagen, was notwendig ist, um Schwächere zu integrieren. Das war ein Gedanke, den Frau Ministerin eingangs erwähnt hat und der bei der Reform des Berufsbildungsgesetzes berücksichtigt wurde: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, Vorqualifikationen anzurechnen, wenn anschließend eine Berufsausbildung aufgenommen wird. Ich halte das für ganz wichtig, um Lebenszeit und sonstige Ressourcen nicht zu verschleudern.
Einen weiteren Punkt hat Frau Wanka angesprochen: Wir haben mit der BBiG-Reform die Möglichkeit geschaffen, Absolventen vollzeitschulischer Ausbildungsgänge bei der IHK zur Kammerprüfung zuzulassen. Und damit frage ich Sie, Frau Wanka, als Ländervertreterin: Warum machen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand die Länder so wenig Gebrauch davon und erlassen entsprechende Rechtsverordnungen? Wenn diese beiden Punkte aufgegriffen würden, dann gäbe es mehr Flexibilität und wir könnten den Jugendlichen Stufe für Stufe den Weg in die berufliche Ausbildung und auch ins Berufsleben ebnen.
Dr. jur. Dr.-Ing. E.h. Heinrich von Pierer, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Siemens Aktiengesellschaft

Dr. jur. Dr.-Ing. E.h. Heinrich von Pierer, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG
JOBSTARTER
Es gibt noch ein paar grundsätzliche Themen. Der eine Punkt ist gerade schon angesprochen worden. Das ist die Frage der mangelnden Qualifikation. Bei uns bewerben sich 60.000 junge Leute für die 2.500 Plätze. 45.000 Bewerbungen werden gleich ausgesondert, weil es sich offenbar nicht lohnt, den Bewerbungen nachzugehen.
15.000 dürfen die Tests machen, und 2.500 werden genommen. Aber mir wird erzählt, und ich habe mich extra noch mal mit den Ausbildern unterhalten, dass 20 % der Schüler nicht ausreichend lesen und schreiben können.
In Bayern sind dies die Hälfte, also nur 10 %, das ist auch immer noch zu viel. Aber das zeigt das Gefälle. In Berlin ist z.B. die Zahl besonders hoch. Das ist ein Punkt, wo man noch mal ansetzen muss, und Sie haben ja gerade darauf hingewiesen, dass die Kultusministerkonferenz auch so handelt.
Das zweite – die Gewerkschaft hört es nicht gern, aber man muss es auch mal sagen – ist, das für viele, gerade mittelständische Betriebe die Ausbildung zu teuer geworden ist. Es kostet halt 650 €, glaube ich, im Schnitt.
Es gibt genügend, die das dann einfach nicht machen, und das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen. Bei uns geht es im ersten Lehrjahr von 750 bis 1.000 €. Jetzt will ich nicht für Siemens gerade sagen, dass das der entscheidende Punkt ist, aber ich weiß, bei vielen Mittelständlern ist es so, und man muss es zur Kenntnis nehmen.
Dann wird darüber geklagt, dass die Ausbildung zu lang ist. Auch das ist offenbar ein ständiger Streitpunkt. Mir wird von den Ausbildern gesagt, am besten wären zwei Jahre, maximal drei Jahre, aber das es häufig dreieinhalb Jahre sind, wird einfach als zu lang angesehen. Das lässt sich doch ändern.
Der nächste Punkt, der ein Hindernis ist, ist die Übernahmeverpflichtung. Wir bilden über Bedarf aus, das ist ganz klar, das haben wir auch so mit dem Betriebsrat verabredet. Gegenüber dem Betriebsrat haben wir keine Übernahmeverpflichtung, aber nach dem Tarifvertrag muss man heute Lehrlinge, die man in die Ausbildung nimmt, für zwölf Monate übernehmen. Und das trifft natürlich die andern auch so. Das ist ein Ausbildungshindernis. Wenn man wirklich die Dinge in Bewegung bringen will, dann muss man auch bei diesen Dingen ansetzen und nicht sagen, da muss man Leute schützen oder ich weiß nicht was.
Und der letzte Punkt, der ist auch gerade angeklungen, das ist natürlich die Frage der verschiedenen Berufsbilder, der Ausbildungsberufe. Es gibt 350, so wurde mir gesagt. Das sind bedeutend zu viele. Man müsste das Ganze straffen, aber gleichzeitig noch flexibler werden, als wir das in der Vergangenheit schon geworden sind.
Auch bei der Frage, wie wir mehr Menschen in die Ausbildung kriegen, gibt es keinen Königsweg. Genausowenig, wie es einen Königsweg aus der Arbeitslosigkeit bei uns gibt. Es gibt keinen Königsweg, sondern es gibt viele kleine Schritte und viele kleine Stellschrauben. Es mag schon sein, dass der Punkt, wie Sie es gerade gesagt haben, dass man Lesen und Schreiben kann, bei den Betrieben an erster Stelle steht. Aber die anderen Themen gibt es eben auch.
Und wir müssen an allen Schrauben arbeiten, um die Dinge weiter zu bringen und nicht Dinge wegschieben und sagen, da jammern Sie zuviel, das sind altbekannte Positionen. Ich habe eines gelernt in meinem Berufsleben: Man muss bestimmte Positionen, die man für richtig hält, so lange wiederholen, bis es allen auf den Geist geht, dann hat man vielleicht eine Chance, dass man sich durchsetzt und was verändern kann.
Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks
JOBSTARTER
Das Handwerk verbindet mit dem JOBSTARTER-Programm die Hoffnung, vor allem solche Betriebe zu Ausbildungsbetrieben zu machen, die zurzeit keine Lehrstellen zur Verfügung stellen.
Nach der letzten Novelle der Handwerksordnung registrieren wir beispielsweise einen überproportionalen Zuwachs an Kleinst- und Kleinbetrieben, gerade in den sogenannten B1- und B2-Handwerken.
Auffallend dabei ist, dass mit abnehmender Betriebsgröße auch die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe abnimmt. Das hat Gründe. So sehen sich kleinere Betriebe mit der Anbahnung eines Ausbildungsverhältnisses sowie auch mit der Durchführung einer Berufsausbildung, die ja heute häufig recht breit angelegt ist, überfordert.
Genau hier müssen Unterstützungsmaßnahmen ansetzen, die von unseren Bildungseinrichtungen geleistet werden können, beispielsweise die Vorauswahl geeigneter Schulabgänger oder die Organisation von Ausbildungsverbünden, die sich die Ausbildung eines Lehrlings einfach teilen.
Genau das sind die Ansätze, die uns weiterbringen und genau dafür brauchen wir JOBSTARTER. Denn die Erfahrungen, die wir jüngst bei der Umsetzung des Ausbildungspaktes mit dem verdienstvollen Einsatz unserer Ausbildungsplatzentwickler gemacht haben, die 16.000 neue Ausbildungsplätze einwerben konnten, lehrt uns: Wenn wir unseren Betrieben Hilfestellungen anbieten und Dienstleistungen im Ausbildungszusammenhang erbringen, also aktives Ausbildungsmanagement betreiben, dann steigt die Ausbildungsbereitschaft - unsere Betriebe fühlen sich in der Wertegemeinschaft „Handwerk“ eingebunden – und das ist eine wichtige Erkenntnis!
Ernst: Herr Kentzler, stimmt das, meinen Sie, dass das Gehalt bei einem Azubi da nicht die entscheidende Rolle spielt, ob einer ausbildet oder nicht?
Kentzler: Ich möchte das etwas differenzieren. In dem einen oder anderen Fall kann das so sein, wenn von den Tarifpartnern sehr hohe Ausbildungsvergütungen festgelegt worden sind. Ich kann jetzt wieder nur auf mich verweisen. Wer bei uns die Lehre beginnt, der ist im zweiten Jahr schon in der Lage, in die Wertschöpfung der Firma mit einzugreifen und sein Geld zu verdienen. Von daher glaube ich, ist dieser Fokus isoliert auf die Ausbildungsvergütung falsch.
Und deswegen sehe ich Jobstarter einfach auch als Ergänzung, als Motivation für diejenigen, die noch ausbilden könnten, die aber bisher noch nicht ausgebildet haben, sie zu bewegen, sie zu unterstützen.