Zusatzqualifikation erfolgreich verstetigt

Das Beispiel des beendeten JOBSTARTER plus-Projekts „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ zeigt, wie im Laufe eines Projekts erarbeitete Inhalte erfolgreich verstetigt und sogar für ein ganzes Bundesland übernommen werden können.

Das JOBSTARTER plus-Projekt „Zusatzqualifikation Digitale Fertigungsprozesse“ hat während seiner Laufzeit eine Zusatzqualifikation (ZQ) für den Bereich Maschinenbau entwickelt. Nach dem Ablauf der Förderung durch das Programm JOBSTARTER plus wurde das Projekt verstetigt und wird als „NRWgoes.digital“ von der Nachwuchsstiftung Maschinenbau gGmbH weitergeführt. Im Juni 2018 wurde bekanntgegeben, dass die ZQ landesweit in Nordrhein-Westfalen (NRW) in eine „Zusatzqualifikation Digitalisierung“ überführt wird. Das Land NRW, die Nachwuchsstiftung Maschinenbau und ausbildende Unternehmen investieren bis Ende 2020 über sieben Millionen Euro in das Vorhaben.

Ein Interview zur Verstetigung der ZQ mit dem Standortleiter Nord der Nachwuchsstiftung Maschinenbau, Andre Wilms.

jobstarter.de:Die ZQ wurde bereits im JOBSTARTER plus-Projekt „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ entwickelt. Bitte beschreiben Sie kurz das beendete Projekt und die Relevanz der finanziellen Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Andre Wilms: Als die Nachwuchsstiftung Maschinenbau im Juni 2016 das JOBSTARTER plus-Projekt „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ startete, war eine Anpassung bzw. Novellierung der Metall- und Elektro-Berufsausbildung mit Blick auf die Industrie 4.0 noch nicht in Sicht.

Um aber Auszubildende schon frühzeitig auf die Veränderungen im Maschinen- und Anlagenbau hinsichtlich Industrie 4.0 vorzubereiten, wurde das Projekt „Zusatzqualifikation Digitale Fertigungsprozesse“ gestartet. Dabei wurden mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt:

Inhaltlich sollten sieben Module konzipiert werden, die über 15 Monate in 200 Unterrichtseinheiten zusätzlich zur regulären Ausbildungszeit in Schule und Betrieb vermittelt werden sollten. Der Selbstanspruch war, eine möglichst interdisziplinäre ZQ zu entwickeln. Dass dies gelungen ist, bestätigt die heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden aus über 8 industriell-technischen Ausbildungsberufen (beispielsweise Industriemechaniker/-in, Zerspanungsmechaniker/-in, Werkzeugmacher/-in, Konstruktionsmechaniker-/in und Mechatroniker/-in).

Dabei stand zu Beginn im Fokus, neben den klassischen Präsenzveranstaltungen, bewusst für die Zielgruppe ganz neue und innovative Lehr- und Lernformen zu entwickeln und zu erproben, z. B. durch starke Einbindung von digitalen Medien, kollaborativen Tools, orts- und zeitungebundenen Projektarbeiten und Webinaren. Wie aktuell und schnell gefragt diese Kompetenzen bei Lehrenden und Lernenden mit der Corona-Krise werden sollten, war damals nicht absehbar.

Für die Umsetzung wurde die Partnerschaft mit zwei Berufskollegs genutzt. Beide Standorte hatten sich mit Begleitung und Unterstützung der Nachwuchsstiftung Maschinenbau für die Umsetzung des Projekts technologisch weiterentwickelt. Aber auch die fachliche Weiterentwicklung der Lehrkräfte, die im Projekt als Dozentinnen und Dozenten sowie Expertinnen und Experten tätig sind, war zu Projektbeginn ein wichtiger Baustein und kam den Schulen und Auszubildenden direkt zugute.

Der Großteil der Teilnehmenden sollte aufgrund der Förderlinie von JOBSTARTER plus aus klein- und mittelständischen Unternehmen akquiriert werden. Dies war eine besondere Herausforderung, da gerade diese Auszubildenden oft nicht zu den leistungsstarken zählen. Allerdings ließen sich ambitionierte Teilnehmende gewinnen. Die Unternehmen haben zurückgespiegelt, wie sich diese Möglichkeit auf die Persönlichkeit der jungen Menschen ausgewirkt hat, aber wie auch die Unternehmen von dem Know-how profitiert haben.

Außerdem wurde das Ziel verfolgt, mit der Zusatzqualifikation einen Abschluss der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu erhalten. Mehr als ein Jahr Arbeit an der Rechtsvorschrift sowie die dazugehörende Überzeugungsarbeit in den entsprechenden Gremien und Interessengruppen führten letztendlich zum Ziel – Teilnehmende der „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ konnten an den IHK-Prüfungen teilnehmen und das IHK-Zeugnis „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ erhalten. Über 70 Teilnehmende haben allein in der Projektlaufzeit das Zeugnis erhalten. Die Qualität der Zusatzqualifikation und das Engagement der Teilnehmenden werden damit angemessen dokumentiert und empfiehlt sie nachweislich für entsprechende Positionen in den Unternehmen.

Ohne finanzielle Unterstützung durch das BMBF wäre die Umsetzung der ZQ in dieser Form nicht möglich gewesen. Einige der positiven und nachhaltigen Auswirkungen sind: Die Erprobung neuer Medien und Lernformate, Weiterentwicklung der Berufskollegs bis hin zu einer Fachschule für Technik „Digitale Produktionstechnik“ als Aufbauangebot sowie der Implementierung einer neuen IHK-Zusatzqualifikation.“

jobstarter.de: Wie lief die Entwicklung der ZQ im JOBSTARTER plus-Projekt ab? Welche Partner waren dabei wichtig undd wie sah die ZQ bei Beendigung der Projektlaufzeit aus?

Andre Wilms: „Das Projekt der ZQ hatte drei wesentliche Bausteine: Der erste Baustein sah die fachliche Qualifikation der Dozentinnen und Dozenten zu relevanten Themen im Kontext der Digitalisierung vor. Hier hat die Nachwuchsstiftung Maschinenbau diverse technologieführende Unternehmen eingebunden, um die Dozenten zu qualifizieren.

Der zweite Baustein bestand aus der Entwicklung der Lernmaterialien. Hier war von besonderem Vorteil, dass zwei Berufskollegs eingebunden waren. Da die beiden Berufskollegs technologisch unterschiedlich aufgestellt waren, mussten Materialien entwickelt werden, welche die generalistische Seite und jeweils spezielle (hard- und softwareorientierte) Aspekte abbildeten. Die Dozententeams, die sich aus unterschiedlichen Facultas und Schulen zusammensetzen, befruchteten sich hier gegenseitig.

Der dritte Baustein war die Durchführung der Zusatzqualifikation. Nach einer Entwicklungszeit von ca. fünf Monaten wurde mit der ZQ begonnen, an der im ersten Durchgang schon 33 Auszubildende teilnahmen. Die Nachfrage - insbesondere auch aus Unternehmen die keine KMUs waren, die nach neuen Lerninhalten suchten - war um ein Vielfaches höher.“

jobstarter.de: Wie wurde die ZQ im Projekt „NRWgoes.digital“ weiterentwickelt?

Andre Wilms: „Für das Projekt „NRWgoes.digital“ wurde die ZQ zunächst inhaltlich noch einmal komplett überarbeitet, denn die zwei Pilotdurchgänge hatten entsprechende Optimierungspotentiale aufgezeigt. Dies betraf vor allem organisatorische Aspekte, die zeitliche Gliederung der ZQ, aber ebenso inhaltliche Anpassungen.

Zudem wurde die „ZQ Digitale Fertigungsprozesse“ unter dem Dach der damaligen Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW)-Nachwuchsstiftung gestartet und dementsprechend stark aus Sicht der Werkzeugmaschinenindustrie konzipiert. Mit Entstehung der Nachwuchsstiftung Maschinenbau, als Konsequenz des Einstiegs durch den VDMA, war es nun das Ziel, die ZQ inhaltlich stärker allgemein auf den Maschinen- und Anlagenbau auszurichten.

Mit der Weiterentwicklung der ZQ für „NRWgoes.digital“ wurde auch den Faktoren „Technologie und Zeit“ Rechnung getragen und die Anforderungen der Teilnovellierung konnten in konkrete Fortbildungsangebote für Ausbildungspersonal und Lehrkräfte umgesetzt werden.

Der Fokus für die Qualifikation lag zunächst auf den Multiplikatoren (Ausbildungspersonal und Lehrkräfte), die NRW-weit befähigt werden sollten, aktuelle Technologie und Themen zu vermitteln. Ausgehend von dieser Grundlage war die Umsetzung und das Angebot der ZQ an den Berufskollegs in NRW.“

jobstarter.de:Wie konnte das Landesministerium für die Kooperation gewonnen werden? Welche Schritte waren bis zur landesweiten Übernahme nötig?

Andre Wilms: „Den Weg aufzuzeigen, wie das Landesministerium gewonnen werden konnte, ist unmöglich, da es eher einem großen Puzzle gleicht, in dem nach und nach einzelne Teile zusammenfanden und das Projekt „NRWgoes.digital“ möglich machten.

Teil dieses Puzzles war sicher die öffentlichkeitswirksame Umsetzung des JOBSTARTER-Projektes. Darüber hinaus spielte die gute und vertrauensvolle Vernetzung der verschiedenen Akteure eine Rolle. Zuletzt war auch ausschlaggebend, dass dem Landesministerium bewusst war, dass die Kooperation einen Innovations-, Technologie-, und Wissensschub in die Berufskollegs bringen kann, wenn alle gemeinsam an der erfolgreichen Umsetzung von „NRWgoes.digital“ arbeiten. Dabei ist und bleibt die Nachwuchsstiftung als neutrale Organisation ein unabhängiger Partner.“

jobstarter.de: Wie wird die ZQ aktuell in ganz NRW umgesetzt?

Andre Wilms: „Aktuell ist die landesweite Umsetzung der ZQ in Vorbereitung. So werden jetzt in enger Kooperation mit den Redaktionsteams der fünf Regierungsbezirke in NRW entsprechende Lehr- und Lernunterlagen aufbereitet. Die Redaktionsteams setzen sich aus den Lehrkräften zusammen, die bereits an der Qualifizierungsoffensive im „NRWgoes.digital“-Projekt teilgenommen haben und nun das Wissen didaktisch für den ZQ-Unterricht aufbereiten. Ziel ist es diese bis September 2020 den Berufskollegs für die Durchführung der ZQ zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt sollen ca. 60 Berufskollegs die „Zusatzqualifikation Digitale Fertigungsprozesse“ in NRW anbieten. Aufgrund der starken Nachfrage sind bereits sieben Berufskollegs mit ihren eigens entwickelten Lehrmaterialien gestartet. Die Teilnehmerzahl pro Berufskolleg beläuft sich auf ca. 15 bis 20 Schülerinnen und Schüler.“

veröffentlicht: 29. Juni 2020